Mit zunehmendem Alter wächst mein Respekt vor der Fotografie. Ich kenne jedoch inzwischen auch ihre Grenzen. Ich versuche nach wie vor, mit meinen Bildern Geschichten zu erzählen. Allerdings möchte ich nicht einfach mehr nur etwas dokumentieren oder zeigen, wie die Welt aussieht. Ich habe gelernt, dass die Wahrheit ganz eng mit der Person verknüpft ist, die die Aufnahme macht. Die Kamera eignet sich prima, um deine aufrichtige Idee davon zu vermitteln, worum es im Leben geht. Nehmen wir beispielsweise die Bilder, in denen die gleichen Geschichten immer wieder zu sehen sind – im Form von Fotos, im Fernsehen oder im Film. Was uns begeistert, ist weniger, wie Dinge aussehen, als die Tatsache, wie unterschiedlich wir sie darstellen können.
Meine neuesten Bilder sind auf einer Reise nach Kenia entstanden. Sie zeigen eine Gegend, die vom Tourismus und dem modernen westlichen Leben bisher weitgehend unberührt ist. Ich wollte Menschen erleben, die zurechtkommen müssen ohne Handys, Medikamente oder andere nützliche Errungenschaften aus den letzten 50 Jahren. Die Bilder sind keine Geschichte, sondern eine Sammlung von Eindrücken. Wie immer hoffe ich, dass ein oder zwei Bilder die Menschen überraschen werden. Ein Foto, das keinen Anklang findet oder den Betrachter zum Nachdenken anregt, ist nur eine leere Hülle.
Farbfotografie
Das gilt auch für meine Aufnahmen aus Kenia: Ich habe Menschen bei alltäglichen Dingen fotografiert. Ich wollte Bilder schaffen, die den Moment, wie ich ihn bei der Aufnahme erlebt habe, möglichst genau wiedergeben. Durch die entsprechende Brennweite und Farbwahl wollte ich diese Idee bestmöglich umsetzen. Die Schwarz-Weiß-Fotografie hat beispielsweise eine abstrakte Qualität. Für mich birgt sie eine unglaubliche emotionale Kraft und wirkt eleganter. Diese Ausdrucksstärke lässt sich in Farbaufnahmen meist nur schwer umsetzen. Viele Fotografen neigen daher dazu, ihre Bilder durch ein gestaltetes Setting hervorzuheben.
Die Ausrüstung
Um meine Idee bei der Aufnahme umzusetzen, versuche ich, die Dinge so einfach wie möglich zu halten. Ich fotografiere hauptsächlich mit einer Sony α7R III und dem FE 24–70 mm f/2.8 GM-Objektiv. Diese Kombination ermöglicht es mir, das Motiv extrem schnell zu fokussieren, um den gewünschten Moment einzufangen. Die meisten meiner Aufnahmen fotografiere ich in sehr kurzer Entfernung vom Motiv. Ich habe tatsächlich eine spezielle Markierung auf meinem Objektiv, die die ungefähre Brennweite von 35 mm anzeigt. Das ist die Brennweite, die ich einfach am häufigsten für meine Aufnahmen nutze.
Wenn ich auf die Geschichte der Fotografie zurückblicke, finde ich es erstaunlich, wie viele Bilder mit nur zwei Brennweitenobjektiven aufgenommen wurden: Es gibt die 50-mm-Brennweite, die vielleicht schönste, die aber auch schwierig zu handhaben ist, und es gibt die 35-mm-Brennweite. Mit längeren Brennweiten fühlt man sich wie ein heimlicher Beobachter, denn sie trennen Fotograf und Motiv; machen es zu einem Objekt auf einer Bühne.
Warum also bevorzugen so viele Fotografen 35-mm- und 50-mm-Objektive? Meiner Meinung nach liegt es daran, dass sie dem menschlichen Blickfeld nahe kommen. Mit einem 24- oder 28-mm-Objektiv kann eine sehr langweilige Szene vor Ihnen liegen, aber wenn Sie durch den Sucher schauen, sehen Sie, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Ihr Gehirn sieht etwas anderes als das, was es vorher mit dem Auge gesehen hat. Wenn Sie ein 35-mm- oder 50-mm-Objektiv verwenden und die Szene vor Ihnen langweilig ist, sieht sie im Sucher immer noch langweilig aus. Besonders bei einer Brennweite von 50 mm benötigen Sie eine faszinierende Szene, die Ihnen den Atem verschlägt, damit Sie den Auslöser drücken.
Entscheidend ist die Einfachheit
Ich überlege mir vorher immer sehr genau, was für ein Bild ich machen möchte. Deshalb verwende ich auch keine Serienaufnahmen. Ich denke, wir sollten menschlicher mit unseren Aufnahmen umgehen, deshalb mache ich immer nur ein Bild nach dem anderen. Jedes Mal, wenn ich den Auslöser drücke, muss es dafür einen Grund geben – ich muss erstaunt oder überrascht sein.
Perfektion ist für mich, ein Bild auf das Wesentliche zu beschränken und dennoch eine bestimmte Aussage zu transportieren. Dies steht im Kontrast zur kommerziellen Fotografie, in der Bilder gestylt und Objekte innerhalb eines Frames verändert werden, Farben über die reale Farbtreue hinaus intensiviert werden. Ich möchte in meinen Bildern einen Zustand erreichen, in dem nichts am Bild verändert oder entfernt werden darf – das gilt auch für die Farbe. Ich möchte, dass die Farbe so perfekt und echt ist, dass dem Betrachter alles im Bild offensichtlich ist. Ich möchte mir ein Foto ansehen und es in einem Sekundenbruchteil verstehen.
Um eine tolle Aufnahme zu gestalten, muss man Bildinhalte schaffen, die etwas Geheimnisvolles oder Metaphorisches enthalten. Diese versteckte Komponente wertet den Inhalt auf. Dasselbe gilt für die Fotografie. Die besten Bilder sind die, die unsere Vorstellungskraft berühren, Fragen aufwerfen, uns drängen, Schlussfolgerungen zu ziehen. Wenn alle Lösungen klar auf der Hand liegen und du dich nicht bemühen musst, wird das Bild keine tiefgreifende Wirkung auf dich haben.
„Beim Fotografieren kommt es für mich nicht so sehr darauf an, was ein Bild darstellt und was darauf zu sehen ist, sondern vielmehr auf die Fragen, die sich der Betrachter stellt.“